Duldung und Arbeitsverbote
Juni 2021
Eine Endlosschleife von Isolation und Demütigung: Die meisten Flüchtlinge und Migrant*innen aus einem nicht-EU-Land bekommen nur einen sehr prekären ausländerrechtlichen Status. Die meisten Asylanträge werden abgelehnt. Danach leben die meisten hier mit einer ‚Duldung‘.
Die Duldung ist immer befristet und muss in Abständen erneuert werden. Während einer laufenden Duldung ist eine Person zwar „ausreisepflichtig“, kann aber nicht abgeschoben werden. Die Abschiebung ist aber dann immer möglich, wenn die Duldung abgelaufen ist.
Zudem kann eine Duldung jederzeit fristlos gekündigt werden. Daher ist eine Person mit einem Duldungsstatus immer von der Abschiebung bedroht.
Einige von uns wissen aus eigener Erfahrung, was das bedeutet. Verzweifelte Notrufe von Geflüchteten in Sammelunterkünften haben uns darin bestärkt, intensiver das Gespräch mit den Betroffenen zu suchen.
Wir waren in Sammeleinkünften in verschiedenen Regionen und haben mit Geflüchteten gesprochen, die diese Situation nicht mehr ausgehalten haben und nun in der ‚Illegalität‘ leben. Sie haben erzählt, dass sie in ständiger Angst leben und keine Chance sehen, sich eine unabhängige Existenz aufzubauen und ihr Leben eigenständig zu gestalten.
Dazu kommt, dass sie ihre oft traumatischen Erlebnisse in ihrem Herkunftsland und während ihrer Reise nach Deutschland, aufgrund mangelnder psychologischer Betreuung hier nicht verarbeiten können.
Mit einer Duldung ist es zudem sehr schwierig, an eine Arbeitserlaubnis zu gelangen. Manche werden mit unterschiedlichen Begründungen sogar mit einem Arbeitsverbot bestraft. Darüber hinaus unterliegen Personen nach dem 21.08.2019 in Kraft getretenen Gesetz, mit einer „Duldung light“ einem pauschalen Arbeitsverbot – sowie einer Wohnsitzauflage. Somit bleiben Flüchtlingeund Migrant*innen ohne Arbeit von den Sozialleistungen abhängig und können unter diesen Bedingungen – auch nach Jahren – ihre Aufnahmeeinrichtungen oder andere Sammelunterkünfte (Lager) nicht hinter sich lassen. Das heißt, sie dürfen nicht in einen Ort ihrer Wahl umziehen. Schon ein kurzer Aufenthalt in einem anderen Bundesland kann ihnen eine Strafe einbringen.
Diese Sammelunterkünfte für Flüchtlinge und MigrantInnen sind oft alte Militärkasernen in abgelegenen Orten ohne öffentliche Nachverkehrsanbindung. Alle diese Hürden behindern die Arbeitssuche und jegliche gesellschaftliche Teilhabe; z.B. auch Integrations- und Deutschkurse, die in den Unterkünften nicht angeboten werden.
Viele wissen weder ein noch aus in dieser Situation, die vielfach für Jahre und bisweilen sogar Jahrzehnte andauert!
Sie sind verzweifelt, werden krank. Immer wieder finden Menschen einzig im Suizid ein Ende ihrer hoffnungslosen Situation.
Andere entscheiden sich für das „Untertauchen“, um einer Abschiebung zu entgehen bzw. um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie sind somit illegalisiert und äußerst schutzlos und ausbeutbar.
Seit dem 01.08.2015 gibt es in Deutschland eine sogenannte stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung. Das bedeutet, dass Menschen mit einer Duldung, die sich seit längerer Zeit in Deutschland aufhalten, unter bestimmten Voraussetzungen eine gesicherte Aufenthaltserlaubnis wegen „nachhaltiger Integration“ erhalten können.
Ein mögliches Bleiberecht ist nicht mehr an einen Stichtag gebunden und kann gewährt werden, wenn die jeweilige Ausländerbehörde „gelungene Integration“ feststellt. Jedoch: „Aus den Angaben der Bundestag Drucksache 18/11101 vom 07.02.2017 ist herauszulesen, dass die stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung nach §§25a und b AufenthG für langjährig Geduldete weitgehend unwirksam ist.
Es gibt eine enorme Diskrepanz zwischen der Anzahl der potentiell Anspruchsberechtigten und den tatsächlich zugesprochenen Aufenthaltsrechten.“ Wem alle Zugänge zu gesellschaftlicher Teilnahme entzogen werden und wer schutzlos in ständiger Angst leben muss, kann sich schwer in die Gesellschaft integrieren.
Wir fordern daher ein Bleiberecht für alle!
Und wir fordern:
- das Recht auf Arbeit
- das Recht auf menschenwürdiges Wohnen an einem selbst gewählten Wohnort
- das Recht auf uneingeschränkte medizinische Behandlung
- das Recht auf volle kulturelle und politische Teilhabe